1945 war der Traum vom „Tausendjährigen Reich“ geplatzt. Das Land lag in Trümmern und Millionen Menschen waren auf der Flucht oder wurden aus ihrer Heimat vertrieben. „Mit uns mäht keiner der Molli mie“, sangen mit den Kölnern auch die Gladbacher.

Bald war es wieder der geniale Karl Berbuer, der die Lage auf den Punkt brachte: „Wir sind zwar keine Menschenfresser, doch wir küssen um so besser …“ machte er den Fastelovends- freunden Mut, die sich bei „Knollibrandy und „gefringsten“ Klütten wärmten und sich und anderen ein wenig Abwechslung in den tristen Alltag brachten.

Kaum zu glauben, dass bereits 1947 unter dem schwungsvollen Präsidium des späteren „Volksprinzen“ Köbes Schlimbach die „Bergischen Karnevalisten“ im Großen Saal „Am Bock“ eine erste richtige Sitzung aufzogen.

Als nach Ludwig Erhard´s Währungsreform endlich 1949 aus den drei westlichen Besatzungszonen der Engländer, Amerikaner und Franzosen, aus „Trizonesien“ eben, sich die neue Bundesrepublik Deutschland zu entwickeln begann, gab es auch für die „Große“ kein Halten mehr: Sitzungen mit dem erneut aktivierten Präsidenten Hubert Kohlgrüber und die ersten Bälle zeigten, wie groß bei aller Not der „Nachholbedarf“ war. Und für Karnevalsdienstag wurde sogar eine abendliche „Kappenfahrt“ als Wiedergeburt des Straßenkarnevals organisiert. Aus Köln kam Thomas Ließem in das Vereinslokal, den „Bergischen Löwen“ und sprach der Großen Mut zu. Der VW-Händler Heinz Keul wurde 1950 zum neuen Präsidenten gewählt. Junge Kräfte ergänzten die bewährte Mannschaft und so gestärkt, rüstete man sich zu neuen Taten.

1951 war es dann endlich soweit: In Jakob Schlimbach, dem allseits beliebten Karnevalisten fand man den richtigen Mann für den Startschuss. Als „Volksprinz Köbes I.“ zog er mit seinem Bauern Josef Schönenborn und der Jungfrau Aenne Kruft als erstes Nachkriegsdreigestirn in einem bunten Karnevalszug unter dem Motto: „Su wor et fröher – un su es et hück“ durch die Stadt. Seither gibt es in unmittelbarer Reihenfolge stets auch in Gladbach ein närrisches „Dreigestirn“.

Über 60 Jahre sind inzwischen vergangen, seit die „Große“ 1952 mit Cornelius Dederichs einen jungen Prinzen präsentieren konnte, der folgerichtig nun mit dem 75-jährigen Fest der Gesellschaft sein Goldenes Prinzenjubiläum feiern konnte. Ihm stand wie beim Köbes im Jahr zuvor Karl Torringen als Bauer zur Seite. Seine Jungfrau hieß Leni Schreiber. Der Zug war bereits auf 80 Gruppen angewachsen.

Am 11. im 11. 1952 präsentierte der „Liederkranz“ das neu gegründete Korps der „Gläbbiger Stadtsoldaten“, die bei Ännchen und Jupp Rienahs „Am Bach“ ihr Wachlokal aufschlugen. Hans-Dieter Schönenbroicher zierte eine Postkarte als „Prototyp“ der Gardisten. Kein geringerer als der von Köln nach Gladbach umgezogene Gerhard Ebeler schrieb den „Schlachtgesang“ der Truppe: „Wat saht ihr jitz, wat saht ihr no …“.

Dr. Hermann Wamper und die temperamentvolle Ruth Suhre von der Burg Zweiffel in Herrenstrunden wurden als das erste Tanzpaar der “Stadtsoldaten“ vorgestellt, die bis zur Gründung der Prinzengarde 1966 mit Bravour alle Dreigestirne sicher durch die Sessionen geleiteten.

„Gläbbiger Humor un Hetz – von fröher on von jezz“ war das Motto der Session 1953 mit Willy Merten als Prinz „Willy der Duftende“, Erich Buchholz als Bauer und Agnes Maus als Jungfrau.

Willy Merten hatte sich bereits als Wagenbauer und kreativer Designer für die Bühnenbilder und Orden der Großen bewährt. Noch heute verleiht die „Vereinigung zur Erhaltung und Pflege heimatlichen Brauchtums“ beim alljährlichen Prinzenessen am Karnevalsdienstag den von ihm geschaffenen „Pour le merite“, den Verdienstorden für besonderes Engagement in der Brauchtumspflege.

Der Zug 1954 bestand bereits aus 93 Gruppen, ein Zeichen dafür, dass sich der Karneval wieder völlig durchgesetzt hatte. Die „Große“ aber fand in Leo Lamsfuß einen neuen Präsidenten. Der Chef des Bergisch Gladbacher Postamtes war bei den „kölsche funke rut-wieß vun 1823“ in die Schule gegangen, ein stattlicher Mann mit viel Herz und Humor und einer reichen Erfahrung. So fuhr er in einem riesigen Posthorn thronend im bis dahin größten Zug durch die Stadt. Höhepunkt der närrischen Parade war wiederum das Dreigestirn mit dem strahlenden Prinzen Willi Strünker, der Jungfrau Maria Pütz und dem Bauern Peter Rath.

„Em Gläbbich vill Papier et jütt – doch vun Pappe sin mer nit“, unter diesem Motto stand der Zug 1955. Hans Greis, Prinz des Jahres 1930 hatte das Präsidentenamt übernommen und das neue Dreigestirn vorgestellt: Prinz Theo Kaser, Franz Heinrich Krey als Bauer und Inge Ludwig als Jungfrau.

Um ein Haar wäre mit ihrer glanzvollen „Regierungszeit“ die ganze Herrlichkeit auch schon wieder zu Ende gegangen. 1956 feierte zwar Bergisch Gladbach die Verleihung ihrer Stadtrechte durch den König von Preußen anno 1856 und die Session stand deshalb unter dem Motto: „Gläbbich wie et wor – en de letzte Hundert Johr“. Aber wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlug die Schreckensnachricht ein: „Der Zoch fällt en et Wasser“.

Was war geschehen? Stadtdirektor Dr. Peter Kentenich, der sich stets sehr für das Brauchtum eingesetzt hatte, war mit dem Versuch gescheitert, den traditionellen Karnevalsdienstagszug auf Fastnachtssonntag zu verlegen, wofür es viele Gründe gab, nicht zuletzt das Interesse der heimischen Wirtschaft. In dieser dramatischen Situation schlug der Bensberger Bürgermeister Jean Werheit vor, fortan jährlich abwechselnd den Zug sonntags in Bensberg und Gladbach durchzuführen. Auch dieser Vermittlungsversuch scheiterte. So blieb es dabei: Der Zug fiel aus. Lediglich die Sander retteten die Nation und veranstalteten einen eigenen Umzug mit viel Zuspruch von nah und fern. Das kreisstädtische Dreigestirn war aller Verwirrung zum Trotz im Gasthaus „Auf dem Horn“ mit Prinz Günter Henk, Bauer Hansheinz Michels und Jungfrau Inge Stiefelhagen proklamiert worden und zog nun, begleitet von den Stadtsoldaten mit den Sandern unter dem Jubel der Narren über die Höhen ihres Kirchdorfes.

1957 aber war die närrische Welt zunächst wieder in Ordnung. Die Große reaktivierte ihren Gründungspräsidenten Hubert Kohlgrüber, der beherzt in die entstandene Bresche sprang und in einer stürmischen Volksversammlung im überfüllten Bocker Saal die Parole ausgab: „Mir bliebe dobei – der Zoch jeht am Dienstag!“ Mit dem „Sonnenprinzen“ Willy Müller, dem urigen Rainer Richerzhagen und Liesel Frank als Jungfrau präsentierte er ein strahlendes Dreigestirn, das im bis dahin größten Zug aller Zeiten am Karnevalsdienstag durch das Tal der Strunde zog.

Wie in den Jahren zuvor, gab es am Rathaus eine Pause und ein Empfang für die Tollitäten im großen Sitzungssaal. Nun hatte der Zugleiter Walter Kröll den närrischen Lindwurm weiter bis nach Heidkamp vorziehen lassen. So kam es, dass der Prinzenwagen an der Städtischen Badeanstalt zum Halten kam und der Wagen für Bauer und Jungfrau sogar erst an der Heidkamper Schule auf seine Besatzung wartete, die nun zu Fuß zu ihrem Gefährt marschieren musste, was den Prinzenführer Heinz Krusenbaum und den Ehrenpräsidenten Hubert Kohlgrüber ziemlich in Rage brachte.

Wie ein Feldherr in der Schlacht hatte der Zugleiter am „Gronauer Wirtshaus“ die Parade an sich vorbeiziehen lassen. Doch statt Lob und Dank erntete er vom Ehrenpräsidenten das berühmte Zitat des Götz von Berlichingen. Der Vorfall hatte ungeahnte ernste Folgen. So sah sich der Präsident Hans Greis gezwungen, nach Aschermittwoch den erweiterten Vorstand der Gesellschaft zu einer Krisenvollversammlung in den „Löwen“ mit der drohenden Tagesordnung „Soll die Große Gladbacher aufgelöst werden“ einzuladen. Eine Versöhnung der Kontrahenten schien aussichtslos.

Da schlug der Sonnen-Prinz zur allgemeinen Verblüffung den jungen Exbauern Franz Heinrich Krey als neuen Präsidenten vor. Der erschrak zwar ob der gewaltigen Herausforderung, aber das Votum der Versammelten, unter ihnen noch zahlreiche Gründungsmitglieder war einstimmig, sodass Franz Heinrich Krey schweren Herzens zustimmen musste.
Ihm gelang es bald, nicht nur den Streit zu schlichten, sondern eine große Zahl seiner jungen Freunde in die Gesellschaft zu holen. Schwieriger war es, mit alten Traditionen zu brechen. So verlangte er, den “Stall“ abzuschaffen, einen mit einem dicken rot-weißen Seil abgetrennten Teil in der Mitte des Saales, in dem seit altersher für die Prominenz die besten Plätze reserviert waren. Ein schwerer Brocken für die Traditionalisten, aber das war nun die Conditio sine qua non des neuen Mannes an der Spitze.

1959 sorgte er mit der ersten „Herrensitzung“ für eine weitere Neuerung, wobei ihm Heinz Nadebusch, der ehemalige Präsident der Narrenzunft, als neuer Literat der Großen ein Bombenprogramm zusammenstellt hatte. Das Programm  schlug so ein, dass es in den Folgejahren regelrechte Schlachten um die Eintrittskarten gab.

Hans Greis, Hans Klever und Martin Sprenger, Prinz des Jahres 1959 unterstützten den Präsidenten nach besten Kräften. Sie und die große Mehrheit der Mitglieder hielten ihm auch die Treue, als er 1960 die Verlegung des Zuges auf den Sonntag gegen große Widerstände durchgesetzt hatte. Die Traditionalisten um Hubert Kohlgrüber und Josef Müller, dem in Gronau geborenen Vater des „Sonnenprinzen“, hatten sich sogar mit einer „Postwurfsendung an alle Haushalte“ der Stadt gewandt und den „unerfahrenen und zu jungen Präsidenten des Verrates an den heiligsten Gütern der Nation“ bezichtigt. Die Große revanchierte sich mit einer stattlichen Fußgruppe von „Briefträgern“, die in gleich aufgemachten Umschlägen mit der Aufschrift „Dat es uns Wurfsendung“ unter das närrische Volk verteilten. Der Inhalt war allerdings kein Pamphlet, sondern Schokolade. Was wiederum den „Hubäät“ versöhnte.

Bald hatte man gemerkt, dass der Zug am Sonntag viele Vorteile hatte, vor allem, weil es nach dem Höhepunkt der Session nicht einfach in den Aschermittwoch hinüberging und der Gladbacher Zug nicht länger als Nachklang zum Rosenmontagszug in Köln empfunden wurde. Dem ersten Sonntagszug des Jahres 1960 war jedenfalls ein durchschlagender Erfolg beschieden. Vielleicht lag es auch mit daran, dass mit Prinz Eduard I. (Paul Schneider) von der CDU, Jungfrau Ilse Edelmann (SPD) und Bauer Josef Kellershoff (FDP) der Stadtrat ein überparteiliches Dreigestirn gestellt hatte. Selbst dem DDR-Organ „Neues Deutschland“ war die Sache unter der Überschrift „Konfetti-Demokraten“ eine bierernste Glosse wert.

Apropos Bier. Bei der ersten Herrensitzung 1959 hatte Franz Heinrich Krey mehrmals im Schwange der Gefühle das Publikum in alter Gewohnheit mit „Liebe Närrinnen und Narren“ tituliert und, auf den Fehler aufmerksam gemacht, gelobt, „wenn ich noch einmal „Närrinnen“ sage, gebe ich eine Lokalrunde“. Wenige Minuten später passierte es.

Das „Meine lieben Närrinnen …“ ging im Jubel der Massen unter. Eine Kölner Brauerei stiftete einen Hektoliter Kölsch, als die Bildzeitung über das Ereignis berichtet hatte. Das Fass stiftete Franz Heinrich Krey den Soldaten der „Hermann-Löns-Kaserne“, in der bis vor wenigen Jahren die Wagen für den Karnevalszug gebaut und sicher untergebracht wurden.